Klagen gegen Hartz IV

Donnerstag, 3. Februar 2005

Klagen gegen Hartz IV

Klagen gegen Hartz IV

Sozialgerichte in Berlin und Brandenburg rechnen mit Ansturm. Wer gegen Ablehnung des ALG II vorgeht, bekommt bis zur Entscheidung des Gerichts kein Geld. Verfahren können mehrere Monate dauern


Viele Brandenburger und Berliner wollen Leistungskürzungen durch die »Hartz IV«-Reform nicht widerstandslos hinnehmen. Nach Angaben der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit gingen in Brandenburg bis Ende Januar rund 14100 Widersprüche gegen die Bescheide für das Arbeitslosengeld II (ALG II) ein. In der Berlin waren es rund 12600. Insgesamt wurden in Brandenburg 195000 Anträge für das ALG II eingereicht und in Berlin rund 300000. Die Widerspruchsfrist war Anfang der Woche in den meisten Fällen abgelaufen. Nun rechnen die Sozialgerichte mit einer Klagewelle.

Der Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, Olaf Möller, war über die große Zahl der Widersprüche nicht überrascht. Damit sei »in diesem Umfang zu rechnen« gewesen, sagte er auf ddp-Anfrage. In vielen Fällen richteten sich die Widersprüche gegen die Ablehnung von Anträgen oder zu geringe Leistungen. Hintergrund sei meistens, daß die Betroffenen nicht mit der verschärften Anrechnung von Einkommen oder Vermögen einverstanden seien, so Möller. Allerdings bleibe abzuwarten, in wie vielen Fällen wegen Berechnungsfehlern tatsächlich eine Korrektur vorgenommen werden müsse.

Am Brandenburger Sozialgericht sind einen Monat nach Inkrafttreten des »Hartz IV«-Gesetzes bislang sieben Klagen anhängig. Beim Sozialgericht Berlin sind 80 bis 90 Klagen eingegangen. Es sei bereits für Januar mit mehr als dem Dreifachen gerechnet worden, so der Vize-Gerichtssprecher Hans-Christian Helbig in einem ddp-Interview. In der kommenden Woche werde die Zahl der Klagen allerdings deutlich ansteigen, vermutet Helbig. Als Grund für die derzeit geringe Anzahl nannte er, daß die für eine Klage notwendigen Widerspruchbescheide in vielen Fällen noch nicht vorliegen. Solange würden auch bereits eingereichte Klagen zurückgestellt. Außerdem seien in Berlin mit 2,1 Prozent deutlich weniger Anträge abgelehnt worden als auf Bundesebene, sagte der Vize-Sprecher. Damit fielen schon objektiv Gründe für den Rechtsweg weg. In Brandenburg hingegen sei die Ablehnungsquote mit elf Prozent deutlich höher.

Bei den bisher eingegangenen Klagen geht es nach Darstellung Helbigs, der selbst Richter ist, nicht um »gravierende Rechtsfragen«. Hintergrund seien vor allem Probleme wie verschwundene Akten, falsche Kontonummern oder das Ausbleiben des Bescheids über das ALG II, die »relativ einfach zu klären« seien. Abgeschlossene Verfahren in der Hauptsache gebe es in Berlin noch nicht. Sie könnten in Abhängigkeit von der Kompliziertheit des Gegenstands wenige Tage bis mehrere Monate dauern. Wer gegen die Ablehnung seines Antrags auf ALG II klage, erhalte bis zu einer möglicherweise gegenteiligen Entscheidung keine Leistungen, sagte Helbig. Das Geld würde im Falle eines juristischen Erfolgs des Betroffenen aber nachgezahlt. Das Gleiche gelte bei einer von der Behörde eventuell zu gering bemessenen Zuwendung. Die Differenz würde dem Antragsteller rückwirkend überwiesen.

(ddp/jW)

Quelle:
http://www.jungewelt.de/2005/02-03/014.php
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