Interessenvertretung für Ein-Euro-Jobber

Interessenvertretung für Ein-Euro-Jobber
Bundes-Arbeitsrichter hält Arbeitskämpfe »arbeitnehmerähnlich Beschäftigter« für rechtlich möglich


Von Andreas Grünwald, Hamburg

Gewerkschaften lehnen Ein-Euro-Jobs arbeitsmarktpolitisch zumeist ab. In Hamburg könnte sich ver.di trotzdem bald dazu durchringen, eine Interessenvertretung für die »Arbeitsgelegenheiten« zu gründen.
Nach wochenlangen Beratungen hat der Hamburger Erwerbslosenrat der Gewerkschaft ver.di am Mittwochabend die Bildung einer Interessenvertretung für Hamburgs Ein-Euro-Jobber beschlossen. Gleichzeitig beschloss das Gremium, dem Vertreter verschiedener Arbeitslosengruppen angehören, einen Antrag an den ver.di-Landesbezirksvorstand, Tarifverhandlungen für die Ein-Euro-Jobber aufzunehmen.
In dem Positionspapier lehnt das Gremium die in Hamburg »Aktiv-Jobs« genannten Arbeitsgelegenheiten weiterhin grundsätzlich ab. »Ein-Euro-Jobs sind arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Unsinn«, sagt Klaus Hauswirth, der die Arbeitslosen auch im Landesbezirksvorstand der Gewerkschaft Verdi vertritt. Impulse für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gingen von diesen Maßnahmen nicht aus. Vielmehr reduzierten die Jobs Vermittlungschancen und drängten reguläre Arbeit zurück. Sie trügen den Charakter von Zwangsmaßnahmen und würden ohne Eingliederungsvereinbarung über die Arbeitslosen verhängt. Den entstehenden Druck auf Löhne und Tarife kritisieren längst nicht nur Gewerkschaften.
Doch sind die Ein-Euro-Jobs bereits Realität. In Wohlfahrtsverbänden und Schulen, in Kindertagesstätten und bei Bildungsträgern, in Einrichtungen und Behörden sind Tausende der neuen Billigjobber integriert. Ohne Rechte, ohne Interessenvertretung und daher manchmal auch Willkür und Diskriminierung ausgesetzt. Wiederholt habe es Hinweise gegeben, dass Arbeitsschutzbestimmungen nicht eingehalten würden. Flächendeckend wird zudem die Mehraufwandspauschale im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht fortgezahlt.
Immer wieder werden auch die Kriterien der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses, die das Gesetz vorschreibt, in Frage gestellt. Mit der Bildung einer Interessenvertretung für Ein-Euro-Jobber, wagt der Erwerbslosenrat den Spagat zwischen grundsätzlicher Ablehnung und dem Kampf um konkrete Verbesserungen. In einem Sofortprogramm ist von der Einrichtung einer Beschwerde-Hotline die Rede, die bereits Anfang Mai ihre Arbeit aufnehmen soll. In Verhandlungen mit den Trägern will der Rat Voraussetzungen für betriebliche Interessenvertretungen der Jobber schaffen.
Über den Stadtstaat hinaus dürfte dabei die Forderung nach Aufnahme von Tarifvertragsverhandlungen besonderes Interesse finden. Entsprechende Vorschläge waren bereits beim Ratschlag des Hamburger Sozialforums Anfang März (ND berichtete) diskutiert worden. Schon am 26. April soll sich der Landesbezirksvorstand der Gewerkschaft ver.di mit der Frage beschäftigen. Die Befürworter beziehen sich auf das Tarifvertragsgesetz, das die Aufnahme von Tarifverhandlungen in Paragraf 12 a auch für arbeitnehmerähnliche Personen vorsieht. Als Voraussetzungen verlangt das Gesetz: soziale Schutzbedürftigkeit und wirtschaftliche Abhängigkeit der Betroffenen, deren Dienste mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sein müssen. Beides ist bei Ein-Euro-Jobbern meist der Fall.
Allerdings kann sich eine tarifvertragliche Regelung nur auf die Höhe der Mehraufwandsentschädigung beziehen, denn das Sozialgesetzbuch sieht die Fortzahlung des Arbeitslosengeldes II vor. Bei der »Angemessenheit« einer solchen Aufwandsentschädigung sieht auch Bertram Zwanziger, Richter am Bundesarbeitsgericht, einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum durch die Tarifvertragsparteien. In einem Dossier stellte Zwanziger jüngst fest, dass auch für Ein-Euro-Jobber Arbeitskampfmaßnahmen rechtlich möglich seien.

(ND 08.04.05)

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